Somatic experiencing (Traumatherapie)

Somatic experiencing (Traumatherapie)

Somatic Experiencing (SE)® ist eine körperorientierte Traumatherapie, die auf Basis neurophysiologischer Erkenntnisse traumatischen Stress und Traumafolgen behandelt.

Was sind Traumata?

Unfälle, medizinische Eingriffe, schwere Krankheiten, Verluste, körperliche und psychische Gewalt, Vernachlässigung in der Kindheit aber auch Naturkatastrophen, Flucht, Krieg und Terror sind für die meisten Menschen traumatische Erfahrungen, die gravierende Spuren hinterlassen können.

In der Sichtweise von SE® ist ein Trauma aber keine Erkrankung, sondern eine Verletzung unserer Schutzhülle. Das Ereignis oder auch die wiederholte Erfahrung von Gewalt u.a. überforderte unser Abwehrsystem – je jünger wir zu diesem Zeitpunkt waren, umso mehr.

Wir erleben bei einem Trauma Gefühle tiefer Ohnmacht und Hilflosigkeit, während der Körper hochaktiviert auf dem traumatischen Stress sitzenbleibt, weil er durch die meist fehlende Möglichkeit zu Orientierung, Flucht oder Verteidigung die dafür mobilisierte Energie nicht entladen kann. Die Energie bleibt im Körper also gestaut und das Nervensystem erlebt durch die Anspannung, etc. die Gefahr als immer weiter aktuell und verbleibt im Alarmzustand, auch wenn es dafür längst keinen Anlaß mehr gibt.

Die in der Folge auftretenden psychischen und körperlichen Symptome stehen also in Verbindung mit der im Körper blockierten Energie, die unsere Gesundheit irgendwann angreift und stark belastet. Manchmal zeigen sich diese Veränderungen direkt nach der Traumatisierung, manchmal auch erst nach Wochen, Monaten, Jahren oder im Zuge einer persönlichen Krise, die unsere Abwehrkräfte schwächt.

Typische Symptome eines traumatisierten Nervensystems

Dazu können innere Unruhe, Nicht-Abschalten-Können, übermäßige Wachsamkeit, erhöhte Reizbarkeit, evtl. mit unkontrollierten Wutausbrüchen, Hypersensibilität gegenüber Licht, Geräuschen etc. sowie Schreckhaftigkeit, evtl. mit einer Neigung zu Panik und gedanklichen Angstspiralen gehören.                                                                                                                                                             Aber auch Suchtverhalten, Antriebslosigkeit, chronische Erschöpfung, Depression, Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten und Gefühle von Hilflosigkeit und Entfremdung können in Zusammenhang mit traumatischen Erfahrungen stehen.                                                                  Schließlich können auch chronische Kopf-, Rücken-, Gelenk- und Muskelschmerzen oder Magen- Darmbeschwerden einen traumatischen Hintergrund haben und entsprechenden Umgang damit erfordern.

Wie behandeln wir mit Somatic Experiencing SE® traumatische Erfahrungen und ihre Folgen?

Wir gehen davon aus, dass das Ereignis oder auch die anhaltende traumatische Erfahrung den Körper und das Nervensystem überfordert hat, weil es zu stark und grenzüberschreitend und zu schnell und zu plötzlich geschah. Dadurch war weder die Orientierung zur Gefahr hin möglich, noch konnten die natürlichen Kampf- und Fluchtstrategien zum Einsatz kommen. Der Körper bleibt entsprechend in der erhöhten Anspannung und jede Situation, die in irgendeiner Weise Erinnerungen an die vergangene Situation hervorruft, wird wieder traumatisch verarbeitet.

Es geht in der Theapie also einerseits darum, das Nervensystem zu beruhigen und wieder (oder erstmals) in Verbindung mit dem „Hier und Jetzt“, in dem die Gefahr nicht mehr existiert, zu bringen. Dabei helfen die persönlichen Ressourcen, die uns oft gar nicht richtig bewusst sind! Wenn wir spüren, über wieviel Rückhalt und Kompetenzen wir verfügen, können wir uns mit einer ganz anderen Kraft zutrauen, eine neue Erfahrung zu machen und zulassen, dass die unmittelbare Gegenwart nicht mehr gefährlich, sondern sicher ist und wir entspannen können! Jedesmal, wenn wir realisieren „ich bin – wieder – sicher“ geschieht ein wenig Entladung von der angestauten Energie und wir können beginnen aufzutanken und holen uns Kraft zurück!

Ein anderes wichtiges „Werkzeug“ in der SE®-Arbeit mit traumatischen Erfahrungen ist die sogenannte Entkopplung von den damaligen Umständen, damit diese nicht mehr Anlass zu einer Wiederholung der traumatischen Erfahrung werden. Dabei kann es z.B. darum gehen, Gefühle wie Ängste und Wut in uns oder anderen einfach wieder als das, was sie sind, zuzulassen, d.h. als Gefühle, die erst einmal keine weiteren Konsequenzen haben und deswegen völlig in Ordnung sind. Dafür ist es aber notwendig, dass wir sie von der traumatischen Erfahrung entkoppeln, d.h. von den Konsequenzen damals loslösen können!  Dies gelingt am Besten mit menschlicher bzw. therapeutischer Unterstützung und Zeugenschaft, die das Übermaß der vergangenen Erfahrung hilft zu dosieren und in kleinen Mengen verdaulich und integrierbar zu machen. Dabei ist von zentraler Bedeutung, dass auch die damals nicht möglichen Verteidigungs- und Orientierungsreaktionen wohldosiert nachgeholt werden können, damit sich die aufgestaute Energie Schritt für Schritt entladen kann.

Im Mittelpunkt des SE®

steht also nicht das Ereignis selbst, sondern die körperlichen Reaktionen darauf: Nur wenn wir auch körperlich erleben und begreifen können, dass wir wieder handlungsfähig sind und die Gefahr vorüber ist, werden wir die Ladung los und können wieder entspannen und uns anderen Dingen im Leben zuwenden …

Damit verbunden sind in der Therapie dann natürlich auch, besonders bei emotionalen Traumata und Gewalterfahrung, die psychische Klärung und Aufarbeitung der Geschehnisse, soweit dies nötig ist – nicht jedes Trauma muss zwingend benannt und erkannt werden, um wieder in eine aufnahmefähige, entspannte und belastbare Verfassung kommen zu können!

Grundlegend im SE® ist, dass die Arbeit so kleinschrittig geschieht, dass das Nervensystem nicht wieder überfordert wird, sondern sich in seinem Tempo von den traumatischen Erfahrungen lösen darf.  Durch die achtsam angeleitete Körperwahrnehmung und die Arbeit mit allen Sinnen kommen die persönlichen Ressourcen und die Fähigkeit zu Selbstregulation spürbar ins Erleben und können so zu einem neuen Gefühl von innerer Sicherheit führen. Die Kapazität, mit Stress umzugehen, nimmt dabei zu und es entstehen neue Wahlmöglichkeiten anstelle von automatisierten Mustern. Dies wirkt sich natürlich auch auf die Beziehung zu sich selbst und zu den anderen aus und soll mehr und mehr in ein Gefühl von „ich kann“ statt „ich muss“ führen!

Weitere Informationen zu den Hintergründen von SE® finden Sie im Glossar unter Somatic Experiencing!